Max fährt in seine Südtiroler Heimat. Er braucht Abstand, um die Trennung von seiner langjährigen Freundin Stefanie besser verdauen zu können.
In München droht ihm das Leben auf den Kopf zu fallen – er braucht eine Auszeit, Luft zum Atmen. Seine erfahrende Mama in Algund erkennt die Not und rät ihm, sich die Gefühle und Gedanken vom Leib zu schreiben. Max beginnt daraufhin, ein Tagebuch zu führen. Und auch nach seiner Rückkehr setzt sich Max öfter auf sein graues „Nachdenk-Sofa“ und hält fest, was ihn während seiner Dating-Zeit beschäftigt.
Lest, was Max noch alles notiert.
Welche Erkenntnisse zieht er aus seinen zahlreichen Bekanntschaften? Was passiert im Alltag eines Dating-Experten? Vorhang auf: Hier sind neue, bisher unveröffentlichte Tagebucheinträge.
Johanna und die Polyamorie
Ich frage mich, wie viele Menschen allein leben und auf der Suche nach Mr oder Ms Right sind. Wie sonst wäre es zu erklären, dass meine Dating-Strategie aufgeht, und ich so viele neue Bekanntschaften mache.
Einige davon sind ehrlich genug, um von Vorneherein zu sagen, dass sie nichts anderes wollen als genau das: Abwechslung. Diese Dates sind interessante Gesprächspartnerinnen für mich – und absolut ungefährlich, denn auf schnelle Bettgeschichten gehe ich ohnehin nicht ein.
Johanna, die ich heute morgen beim Frühstücks-Date kennengelernt habe, braucht scheinbar besonders viel Abwechslung: Sie lebt in einer Beziehung mit zwei Männern. Ich habe vom Konzept der Polyamorie mehrfach gehört, aber noch keine getroffen, die es anwendet und dazu steht.
Johanna und ich sind von Anfang offen zueinander gewesen. Ich betreibe Online-Dating bekanntermaßen nicht, um die nächste Frau fürs Leben oder fürs Bett zu finden. Und wenn, dann würde ich definitiv Wert auf Exklusivität legen. Aber dazulernen und meinen Horizont erweitern sind mir beim Dating-Marathon eben genauso wichtig wie die Treffen selbst. Insofern ist Johanna ein spannender Kontakt.
Also habe ich mich erst einmal schlau gemacht. Was ist Polyamorie eigentlich genau? Laut einschlägigen Quellen versteht man darunter die einvernehmliche Liebe zwischen mehr als zwei Partnern. Allen Beteiligten ist bekannt, dass die Beziehung nicht exklusiv ist, und auch alle sind damit einverstanden. Der Begriff Liebe definiert sich hier über einen starken Freiheitswunsch und über Toleranz.
Wie mir Johanna beim Treffen erklärt, ginge ihre Toleranz sogar so weit, dass sie Mitfreude empfindet, wenn sich einer ihrer Partner zusätzlich in eine andere Frau verliebt. Diese Beziehungsform sei nahezu frei von Eifersucht, versichert sie.
Johanna hat ihren beiden Partnern demnach offen erklärt, dass sie datet und ihre Zuneigung möglicherweise auf einen neuen, dritten Mann ausdehnt, bevor sie sich bei Fishing angemeldet und mich getroffen hat. Ich persönlich kann mir das schwer vorstellen. Der eigene Maßstab, die eigenen Prinzipien sind jedoch immer nur ein Ausschnitt von möglichen Lebensmodellen.
Es gibt kein Falsch und Richtig im allgemeinen Sinn – nur die Erkenntnis darüber, was für einen selbst falsch und richtig ist. Dazu zu stehen und die anderen das machen zu lassen, womit sie ihr Glück finden, ist Ausdruck einer modernen, toleranten Sichtweise. Oder wie die Bayern sagen: Leben und leben lassen. Insofern hat sich das Treffen mit Johanna mitsamt Erkenntnisgewinn gelohnt. Auch wenn ich als neuer Partner in ihrer „Familie“ nicht in Frage käme.
Kerstin und eine Absage
Heute kann ich nur drei Dates verbuchen. Mein Bartermin, Kerstin, hat kurzfristig abgesagt. Auch mir ist das schon passiert, deshalb: kein Problem.
Kerstin hat ihren Absagegrund allerdings mit ziemlicher Sicherheit nicht erfunden. Am Telefon teilt sie mir offen mit, dass sie statt zu unserem Date zu einem Treffen mit jemandem gehen möchte, mit dem sich etwas konkretes anzubahnen scheint. Da sie keine falschen Erwartungen nähren und nicht mehrgleisig fahren will, würde sie lieber von neuen Begegnungen absehen. Fair enough!
Ich habe ihr zu verstehen gegeben, dass sie sich in meinem Fall ohnehin keine Gedanken machen müsste, denn ich sei ja gar nicht richtig „auf der Suche“. Andererseits ist mir vollkommen klar, dass sie lieber einen Kandidaten treffen möchte, den Amors Pfeil möglicherweise schon getroffen hat.
Drei Dates sind auch genug für heute. Das Gute ist: Ich habe mehr Zeit für mein gleich bevorstehendes Dinner-Date mit Veronika.
Veronika, Viktor Frankl und die Freiheit
Die Reaktionen meiner Dating-Partnerinnen fallen ziemlich unterschiedlich aus, wenn ich sage, warum ich ein Treffen wahrnehme – und warum ich mit dieser Intensität unterwegs bin.
Trotzdem hat unser Gespräch ein paar Gedanken in mir angestoßen: Was genau ist denn Freiheit? Und was bedarf es, um sich im Alltag „frei“ zu fühlen?
Fast jeder stellt wahrscheinlich irgendwann im Leben fest, dass Freiheit allenfalls ein Kompromiss ist. Auf der einen Seite steht meine Selbstbestimmung: Dinge so zu tun, wie und wann ich sie für richtig halte. Dem gegenüber stehen die Interessen eines anderen Menschen. Oder auch kollektive Interessen, in Form von staatlichen Regelungen und gesellschaftlichem Konsens.
Bei der Beschäftigung mit dem Freiheitsbegriff stoße ich auf die Geschichte des österreichischen Neurologen und Holocaust-Überlebenden Viktor Frankl. Nach dem Ende des Krieges fließen seine Erkenntnisse in zahlreichen Werken ein, u. a. in „… trotzdem Ja zum Leben sagen“ aus dem Jahr 1946.
Sicher haben ihm auch seine Grenzerfahrungen als Alpinist zu unglaublicher mentaler Resilienz verholfen. In Auschwitz hat Viktor Frankl gelernt, die Frage nach dem Sinn des Lebens umzudrehen: „Wir müssen lernen und die verzweifelnden Menschen lehren, dass es eigentlich nie und nimmer darauf ankommt, was wir vom Leben noch zu erwarten haben, vielmehr lediglich darauf: Was das Leben von uns erwartet.“
Für Freiheit bedeutet dies: Sie kann als Gefühl nicht von äußeren Umständen abhängen, sondern ist eher eine innere Geisteshaltung. Nur so ist nachvollziehbar, dass Frankl eine Art Freiheitsgefühl aufrechterhalten hat, obwohl die äußeren Umstände im Konzentrationslager sicher genau das Gegenteil bedeutet haben.
Kurz: Er hat nicht versucht, die Situation zu ändern, sondern seine Einstellung zur Situation.
Darauf zu setzen, dass Freiheit von außen gewährt wird, macht abhängig. Menschen, die erwarten, von anderen möglichst viel Spielraum zu bekommen, fühlen sich selten frei. Die einzige wirkliche Freiheit besteht darin, zu entscheiden, wie man mit den Gegebenheiten umgehen will.
Sich dieser persönlichen Betrachtung und „Entscheidungsmacht“ bewusst zu sein, bedeutet wirkliche Freiheit. Und nein, ich lasse mich aktuell nicht deshalb auf keine feste Beziehung ein, weil ich um meine Freiheit fürchte …
Mist gebaut – und Triple Date
Heute ist einer dieser Tage, an denen das Universum beschlossen hat, mir einen Streich zu spielen. Ich habe zwei Termine komplett durcheinandergebracht. Nun stehe ich vor einem Dilemma, das selbst mein erprobtes Organisationstalent überfordert.
Die eine, Nicole, kennt mich schon – es wäre unser zweites Treffen. Und nach dieser Aktion ist es vermutlich auch das letzte. Sie weiß zwar, dass ich als Power-Dater unterwegs bin, trotzdem – oder gerade deshalb – ist es extrem unhöflich, in letzter Minute abzusagen.
Ich denke daran, in den sauren Apfel zu beißen und meinen Fehler zu gestehen. Nicole ist eine unternehmungslustige, gebildete und vielgereiste Persönlichkeit, die ihr Geld als Apothekerin verdient. Vielleicht sollte ich es mir nicht gerade mit einer Apothekerin verscherzen – wer weiß, ob ich nicht eines Tages vor der Apothekentür stehe und dringend ein Medikament benötige …
Ich sitze zwischen zwei Stühlen, denn auch die andere Kandidatin verspricht ein interessantes Treffen und birgt jede Menge Potenzial für Notfälle: Valerie arbeitet als Krankenschwester in einer renommierten Schwabinger Klinik. Dorthin könnte ich mich gerade noch schleppen, falls mal etwas schlimmeres passieren sollte.
Vielleicht sollte ich die Krankenschwester mit der Apothekerin zusammenbringen? Und damit meine medizinische Versorgung doppelt absichern? Die Krankenschwester flickt mich zusammen, die Apothekerin kümmert sich um die Nachversorgung?
Ich kann nicht mal aufgrund einer plötzlichen Unpässlichkeit absagen! Denn beide würden genauer nachfragen, möglicherweise sogar ihre Hilfe anbieten … Um festzustellen, dass mir gar nichts fehlt. Außer fortgeschrittene Planungsunfähigkeit. Was also tun?
Und hier ist der Plan: Ich rufe beide an und versuche, das Beste darauf zu machen. Die Gespräche könnten in etwa so ablaufen: „Nun gut, ich muss etwas Unangenehmes gestehen. Ich habe ein kleines Problem, denn ich bin aus Versehen mit dir und jemand anderem verabredet… zur gleichen Zeit… in verschiedenen Lokalen. Eine Organisationspanne. Aber lass uns etwas draus machen!“
Wenn die Damen Humor haben – und offen sind für ungewöhnliche Situationen –, könnten sie meinem anschließenden Vorschlag zustimmen: einem Treffen zur Dritt. Auf den Gedanken, nach dem Treffen mit einer von beiden abzuziehen und die andere zurückzulassen, käme ich ohnehin nie. Und falls ich aufgrund der ungewöhnlichen Situation doch medizinische Hilfe brauche, wäre ich in besten Händen.
Ein Abend voller unerwarteter Wendungen, das verspricht in jedem Fall Unterhaltung. Ich suche ein neues Lokal aus, verspreche lebhafte Gespräche nach einem unvergesslichen Chaos. Ein Chaos, das die Grundlage für unkonventionelle Freundschaften legen kann.
Wenn er aufgeht, der Plan.
Die Vagabundin
Nach einem Bar-Date bringe ich meine Begleiterin bekanntlich gerne zum Verkehrsmittel ihrer Wahl, selten aber zur Wohnungstür, um möglichen Hoffnungen auf eine gemeinsame Nacht vorzubeugen. Das hat sich bewährt.
Silke stammt aus Kempten. Ich gehe deshalb davon aus, dass sie bei Freunden abgestiegen ist und nicht ernsthaft erwartet, dass ich sie zu später Stunde die knapp 130 Kilometer bis Kempten begleite.
„Gerne, kein Problem“, erwidere ich – überzeugt davon, dass wir uns an irgendeiner Haustür verabschieden und nicht den letzten Zug ins Allgäu nehmen werden. Außerdem bin ich besonders neugierig, wohin dieser Abend noch führt.
Silke und ich verlassen die Bar und schlendern die nächtliche Straße entlang. Wir unterhalten uns weiter, lachen und genießen die Atmosphäre. Es dauert nicht lange, bis wir einen Parkplatz erreichen.
„Hier sind wir“, sagt Silke. Ich sehe sie fragend an. „Schläfst du auf einem Parkplatz?“
„So könnte man sagen“, entgegnet sie. „Hast du meine Profilbilder auf Fishing eigentlich mal genauer angesehen?“
Ich muss zugeben, dass ich mir nicht alle Details merken kann, nachdem ich seit gut einer Woche unzählige Profile studiert habe. Bei Silke hätte ich wohl besser genau hingesehen.
„Einen Parkplatz konnte ich auf deinen Bildern nicht entdecken, oder habe ich den einfach übersehen?“ frage ich vorsichtig.
Sie lacht. „Einen Parkplatz sicher nicht, aber es gibt ein schönes Bild mit meinem Auto.“
Ich fühle mich überfordert. Silke hilft mir, das Geheimnis zu lüften, und deutet auf ein abgestelltes Fahrzeug mit Dachzeltaufbau.
Oha!, schießt es durch meinen Kopf. So haben wir jetzt aber nicht gewettet …
Wie praktisch! Statt nach dem Treffen zu irgendeiner Wohnung zu fahren, bringt Silke die Wohnung zum Treffen mit.
„Ich bin eine kleine Vagabundin“, vertraut sie mir an. „Deshalb habe ich mein Dachzelt immer dabei.“
„Kannst du denn darin einfach so auf einem Parkplatz übernachten?“ frage ich und merke, wie sich die Schlinge langsam zuzieht.
„Kein Problem, solange ich nicht länger stehe und Wurzeln schlage. Glaube mir, ich kenne inzwischen alle Regeln zum Thema Wildcampen und Übernachten im Auto“, sagt sie mit fester Stimme und grinst mich auffordernd an. „Zur Erholung darfst du dich jederzeit mit einem Dachzelt-PKW auf einen öffentlichen Parkplatz stellen. Und es ist vollkommen egal, ob dann noch jemand mit mir im Zelt schläft oder nicht.“
„Ich habe Platzangst, tut mir leid“, sage ich schnell. „Aber ich freue mich, dass ich dich wirklich bis nach Hause bringen konnte. Falls du morgen früh noch da bist, bringe ich dir frische Croissants vorbei.“
Fürs Protokoll: Ich habe keine Platzangst. Aber scheinbar höllisch Angst davor, in einem Dachzelt vernascht zu werden …
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