Freitag, September 22, 2023

Was ist Freiheit?

Was ist Freiheit?

In diesen Tagen rückt bei vielen Menschen der Freiheitsbegriff ins Bewusstsein. Es ist März 2020 – und die Corona-Krise bringt unser öffentliches Leben zum Stillstand. Zu den Aufgaben des Staates gehört es nun, Veranstaltungen zu untersagen, Reisen stark einzuschränken, möglicherweise demnächst eine Ausgangssperre zu verhängen wie in Italien oder Frankreich. Wie gehen wir damit um? Was geht vor in den Köpfen eines Volkes, das persönliche Freiheit seit Gründung der Bundesrepublik als unantastbar und gegeben ansieht? Es hängt davon ab, wie wir – wie jeder einzelne – Freiheit definiert.

Eine Volksweisheit besagt, dass die eigene Freiheit dort aufhört, wo die Freiheit des nächsten beginnt. Kann ich daher wirklich frei sein? Was bedeutet Freiheit im Rahmen meines realen täglichen Daseins? Und erst recht unter den außergewöhnlichen Umständen dieser Zeit?

Freiheit heißt auf jeden Fall nicht, dass ich tun kann, was ich will. Die Interessen anderer Menschen, staatliche Regelungen, gesellschaftlicher Konsens stehen dem entgegen. Wie kann ich selbstbestimmt mit den Erwartungen anderer Menschen, den Einschränkungen des unmittelbaren Umfeldes umgehen?

Wahre Freiheit hängt nicht von äußeren Umständen ab.

Wahre Freiheit ist eher eine Geisteshaltung. Unvergessen ist die Geschichte des österreichischen Neurologen und Holocaust-Überlebenden Viktor E. Frankl, der es trotz entsetzlicher Umstände im Konzentrationslager geschafft hat, sich frei zu fühlen. Eines seiner prägenden Zitate lautete: „When we are no longer able to change a situation, we are challenged to change ourselves“. Es erklärt, wie Frankl das Gefühl von Freiheit nähren konnte, obwohl die äußeren Umstände sicher genau das Gegenteil vermuten ließen: Indem er sich selbst und seine Einstellung zur Situation veränderte.

Darauf zu setzen, dass Freiheit von außen gewährt wird, macht abhängig. Menschen, die erwarten, durch äußere Umstände, ihre Zeitgenossen oder den Staatsapparat möglichst viel Spielraum zu bekommen, fühlen sich selten frei. Die einzige wirkliche Freiheit, die wir haben, ist zu entscheiden, wie wir persönlich mit den Gegebenheiten umgehen wollen. Diese Art von Freiheit kann einem niemand absprechen.

Jede und jeder können selbst entscheiden, ob die Corona-Krise eine Chance zur Besinnung und Entschleunigung bietet, oder ob die damit verbundenen Verbote eine unannehmbare Einschränkung wichtiger Bedürfnisse darstellt. Es liegt an jedem einzelnen, seine Interessen an Profit und Vorteilsnahme auszurichten, oder zu Gunsten eines ausgeglichenen Lebens mehr Empathie zu zeigen. Sollen Provokation, Rechthaberei oder Neid den eigenen Charakter prägen, oder doch lieber Gelassenheit?

Sich persönlicher Entscheidungsmöglichkeiten bewusst zu sein, bedeutet Freiheit.

Vielleicht lernen wir in diesen Tagen, unseren Freiheitsbegriff neu auszurichten. Und vielleicht hilft uns genau das, mit den bereits umgesetzten und eventuell noch kommenden Beschränkungen besser zurecht zu kommen. Die Möglichkeit, auf Umstände verantwortungsvoll zu reagieren, steht allen jederzeit offen.

Diese Art von Freiheit – eine Freiheit, die nicht von Äußerem abhängt – ist unbegrenzt.